Historie

Bereits im Jahr 1443 wurde die „alte” Neue Mühle erstmalig urkundlich erwähnt. Zu dieser Zeit wurde sie von Müller zu Müller verpachtet.

Später nutzte man die Wasserkraft auch zur Verarbeitung von Eisenblech. Im Jahr 1877 brannte das Gebäude schließlich bis auf die Grundmauern nieder und mußte einem Neubau weichen. Die Stadt Kassel erwarb im Jahr 1890 die „Neue Mühle” und legte so den Grundstein für Ihre moderne Strom- und Wasserversorgung.

Quellenangabe:
Auszug aus:
„Das neue Elektrizitätswerk der Residenzstadt Cassel“
Entstehung der Stromerzeugungsanlage auf der „Neuen Mühle.“ (Seite 1 – 8)
Bearbeitet von Reg.-Baumeister J.W. VAN HEYS (1911)

Entstehung der Stromerzeugungsanlage auf der „Neuen Mühle.“
Im Jahre 1890 wurde infolge des Todes des bisherigen Mühlenbesitzers Julius Ostheim die in brauchbarem Zustand befindliche „Neue Mühle“ bei Niederzwehren zum Verkauf gestellt. Es war das zu einer Zeit, als die Elektrotechnik bereits einen großen Wirkungskreis sich erobert hatte. Der elektrische Antrieb von Arbeitsmaschinen in Fabriken war bereits „hochmodern“ und zeitigte manche Vorteile vor jedem anderen Betriebe. Große Städte hatten bereits elektrische Beleuchtung eingeführt, trotzdem von einer Wirtschaftlichkeit der elektrischen Beleuchtung kaum die Rede sein konnte. Mit den hohen Preisen, die damals für Beleuchtung Strom bezahlt wurden, konnte die elektrische Beleuchtung im wahrsten Sinne des Wortes nur als Luxus gelten.
Wenn trotzdem auch einige städtische Verwaltungen elektrische Beleuchtung einzelner Straßen und Plätze einführten, so geschah das wohl mehr, um der Elektrotechnik in ihrem rastlosen Vorwärtsdrang die Wege zu ebnen, um anderen mit gutem Beispiel voranzugehen und der Elektrotechnik ein großes Versuchsfeld zu bieten, auf dem sie Erfahrungen sammeln konnte, um Fortschritte und Verbesserungen ausnutzen und allen Interessenten vorführen zu können. Bezüglich der Kosten konnte zu damaliger Zeit das elektrische Licht dem Gaslicht keine Konkurrenz bieten. Das Vorgehen größerer Städte, sich eigene Elektrizitätswerke zu erbauen, den Vertrieb des elektrischen Stromes zu monopolisieren, war aber schon damals als unbedingt richtig zu bezeichnen, weil mit Bestimmtheit vorauszusehen war, dass sich die Elektrotechnik sehr schnell entwickeln würde und ,dass durch die Monopolisierung innerhalb der Städte und Gemeinden diesen ein neuer gewerblicher Betrieb entstehen würde, der von nicht unwesentlichem Einfluss auf die Finanzlage derselben sein würde. Es war deshalb ein guter Gedanke, der vom Magistrat der Residenzstadt Cassel ausging, die herrenlose und stillliegende „Neue Mühle“ zu erwerben und die vorhandene, für damalige Zeit nicht unbedeutende Wasserkraft im Interesse der Stadt nutzbar zu machen. Der Ankauf der Ostheimischen Mühle war auch deshalb kein Risiko für die Stadt Cassel, weil die gebäulichen Anlagen sowie auch die ganze Mühleneinrichtung nach dem eingeholten Gutachten eines Fachmannes in durchaus gutem Zustand sich befanden. Der Umbau der Mühle zu irgendwelchen städtischen Zwecken war mit besonderen Schwierigkeiten nicht verbunden.
Durch Vertrag vom 2. Juli 1890 ging nach voraufgegangenem Beschluss des Magistrates und des Bürgerausschusses die „Neue Mühle“ mit den anliegenden Grundstücken und der gesamten Mühleneinrichtung aus dem Besitze der Ostheimischen Erben in das Eigentum der Stadt über. Die zum Betriebe der Mühle dienende Wasserkraft betrug 200 P.S., die vermittels 4 Turbinen, von je 50 P.S Leistung auf die Mahlgänge übertragen wurde.
Noch bevor der Verkaufsvertrag erledigt war, hatte sich das Stadtbauamt und die „gewerbliche Deputation“ des Bürgerausschusses mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise die zu erwerbende Wasserkraft vorteilhaft zu verwenden sei. Hierbei war die Anlage eines Elektrizitätswerkes in erster Linie ins Auge gefasst und es erschien unter richtiger Würdigung der damaligen Verhältnisse als vorteilhaft, einen Teil der vorhandenen Wasserkraft zur Elektrizitätserzeugung zu benutzen, sonst aber im Wesentlichen die Wasserkraft nach Möglichkeit für die Wasserversorgung der Residenz nutzbar zu machen.

Eine Umfrage in der Bürgschaft auf Abnahme elektrischen Stromes zu Beleuchtungszwecken ergab einen Anschlusswert von 2500 elektrischen Glühlampen von 16. N.K. unter der Bedingungen, dass die Glühlampenbrennstunde 2,5 Pfg. kosten würde. Da die 16 N.K. Kohlenfadenglühlampe- andere Glühlampen gab es damals noch nicht- einen Stromverbrauch von 50 Watt hat, so betrug der damalige Preis für 1 Kilowattstunde 90 Pfg., ein Preis der gegenüber der Gasbeleuchtung, die damals noch fast durchweg den heute noch selten zu findenden Schnittbrenner verwendete, gerechtfertigt erschien. Nachdem durch diese große Beteiligung an der Verwertung elektrischen Lichtes die Rentabilität eines anzulegenden Elektrizitätswerkes gesichert erschien, trugen die städtischen Körperschaften keine Bedenken mehr, der Neuanlage eines Elektrizitätswerkes unter Benutzung eines Teiles der Wasserkraft der „Neuen Mühle“ näher zu treten. Die hierüber von namenhaften Elektrotechnikern eingezogenen Erkundigungen und die Ausarbeitung von Entwürfen seitens der leistungsfähigsten Elektrizitätsfirmen ließen auch alle Bedenken, die sich von einzelnen Seiten erhoben, hinfällig werden. Die Vorbereitungen zum Bau der städtischen Elektrizitätswerke oder besser gesagt der städtischen Elektrizitätsversorgungsanlage waren bereits bei Abschluss des Verkaufsvertrages soweit gediehen, dass der Abschluss über die Übertragung der Ausführung in Generalenenterprise an der Ingenieur Oskar v. Miller nahe bevorstand. Wenn man anfangs geglaubt hatte, die Wasserkraft der „ Neuen Mühle“ würde für die gesamte beabsichtigte Elektrizitätsversorgung ausreichen, so sah man sich getäuscht bzw. enttäuscht zugunsten der Stadt Cassel. Zu damaliger Zeit – es sind erst 20 Jahre her – hatte man noch allerlei Bedenken gegen die Verwendung höherer Spannungen und da eine Bogenlampe einschließlich des Beruhigungs- und Regulierungswiderstandes, die ein ruhiges Brennen der Lampe sichern sollten, eine Spannung von 55 Volt beanspruchte, so war man allgemein dazu übergegangen, eine Spannung im Stromverteilungsnetz von 110 V. vorrätig zu halten, so dass man 2 Bogenlampen zur Ausnutzung dieser Spannung hintereinanderschalten musste. Damals machte auch die Herstellung von Glühlampen, die für eine höhere Spannung als 110 V. geeignet sind, größere Schwierigkeiten.
Die einzige Möglichkeit, die Leitungsquerschnitte möglichst gering zu halten, lag in der Anwendung des Dreileitersystems im Stromverteilungsnetz. Dieses wurde dann auch bei der Anlage in Anwendung gebracht. Der Teil der Stadt Cassel, der infolge dieser niedrig zu wählenden Spannung für eine elektrische Stromversorgung in Frage kam, umfasste etwa das Gebiet, das umgrenzt wird von der Sophien- und Westendstraße, Kastenalsgasse, Holländische Straße und Terrasse, Weinbergstraße bis zur Wolfagerstraße und Henschelstraße. Um dieses verhältnismäßig kleine Gebiet mit elektrischer Beleuchtung in dem oben genannten Umfang versehen zu können, bedurfte es schon der Anlage zweier Stromverteilungspunkte – zweier Stationen – wollte man die Anlage nicht von vornherein durch Zulassung allzu großer Spannungsverluste unwirtschaftlich arbeiten lassen. Der Betrieb der gesamten Versorgungsanlage stellte sich hiernach in folgender Weise: Von der auf der „Neuen Mühle“ vorhandenen Wasserkraft wurden 100 P.S. für die Herstellung von einphasigem Wechselstrom mit einer Spannung von 2000 V. erzeugt. Zur Aufstellung gelangten in der „Neuen Mühle“ zwei Wechselstrommaschinen mit 2200 V. Spannung, 70 Perioden und einer Leistung von je 66 K. W. Der in diesen Maschinen erzeugte Wechselstrom wurde durch ein Kabel, nach der Hauptstation im „Meßhaus“, das einen Teil des Grundstückes einnahm, auf dem sich jetzt der stolze Bau des Rathauses erhebt, und zur Unterstation im Keller der Volkschule am Wall geführt. In diesen beiden Stationen waren Wechselstrom- Gleichstromumformer aufgestellt, die den einphasigen Wechselstrom, der mit einer Spannung von 2000 V. ankam, in Gleichstrom von 110-165 V. umformten. Mit der höheren Spannung von 165 V. mit 150 A. wurden die Dynamomaschinen, die eine Gesamtleistung von je 49 000 Volt- Amperes besaßen, zum Laden von Akkumulatoren verwendet, während die Dynamos mit der Spannung von 110 V. und 226 A. Stromstärke unmittelbar in das Stromverteilernetz arbeiteten. Im Meßhaus waren ein Wechselstrom- Elektromotor und zwei Gleichstromdynamos mit der Gesamtleistung von 49 K.W. und eine Akkumulatoren Batterie von 240 Amperes Entladestrom aufgestellt. Hierzu kam als Reserve eine Lokomobile von 100 P.S., deren Schwungräder als Riemenscheiben ausgebildet waren, die gleichfalls zum Betrieb der Dynamomaschinen verwendet werden konnte. In der Volksschule „Am Wall“ war nur 1 Wechselstrommotor mit 2 Gleichstromdynamos von zusammen 49 K.W. Leistung vorhanden, die in ihrer Bauart dem Umformer des Meßhauses glichen. Von der Aufstellung einer Akkumulatoren Batterie wurde zunächst Abstand genommen. Das Hochspannungswechselstromkabel von der Stromerzeugungsstation an der „Neuen Mühle“ war als konzentrisches Kabel mit einem Querschnitt 2×60 qmm und mit Eisenbandarmierung versehen durch die Frankfurter Straße zum Meßhaus und zur Volksschule am Wall geführt. Seine Länge betrug 4940 m bis zum Meßhaus und von da zur Volksschule am Wall 1345 m. Das Stromverteilungsnetz, das berechnet war für einen Anschluss von 4500 Glühlampen, während bei der Eröffnung 2400 Glühlampen bzw. deren Anschlusswert angeschlossen waren, hatte bereits eine Gesamtkabellänge von 43 000 m. Die Kabel des Verteilungsnetzes sind als eisenbandarmierte Bleikabel ausgebildet. Am 15. Mai 1891 war die ganze Anlage fertiggestellt und übernahm die Stadt Cassel, nachdem sie über die Ausführung der Gesamtanlage sich ein Gutachten vom Redakteur der Elektrotechnischen Zeitschrift, dem bekannten Elektriker Uppenborn aus Berlin hatte aufstellen lassen, den Betrieb der Anlagen. An das Stromverteilungsnetz war die Stadt Cassel mit 14 Bogenlampen von 12 Amperes angeschlossen, von denen 8 Stück auf dem Friedrichsplatz, 4 Stück auf dem Königsplatz und 2 auf dem Theaterplatz aufgestellt wurden. Von dem gesamten Anschlusswert entfielen auf Bogenlampen etwa 100 Stück und auf Glühlampen etwa 1700 Stück. Kraftanschlüsse waren nur wenig vorhanden, weil für viel und große Anschlüsse der vorhandene Strom nicht ausgereicht hätte. Die neuen Elektrizitätswerke waren kaum dem Betriebe übergeben, als auch schon die Vorliebe für elektrische Beleuchtung begann, sich mehr und mehr bemerkbar zu machen. Die Gesamtanlage war so berechnet, dass sie für eine gleichzeitige Stromversorgung von 4500 Glühlampen zu 16 N.K genügte. Schon im Herbste des Jahres 1891 war der Anschlusswert auf 3700 und im Frühjahr 1893 auf 5300 Glühlampen gestiegen. Bei diesem schnellen Anwachsen der Anlage trat denn auch schon recht bald nach der Eröffnung „die Sorge für die Zunft“ in Tätigkeit. Der Erbauer der Werke, Herr Oskar v. Miller, legte der Residenzstadt noch im Laufe des Jahres 1891 einen Entwurf für die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Anlagen vor. Der Entwurf ging darauf hinaus, den Anschlusswert der ganzen Anlage auf 12 000 Glühlampen zu erhöhen, so dass 8000 Lampen gleichzeitig brennen konnten. Ernstliche Gestalt nahm aber die Notwendigkeit der Erweiterung erst im Jahre 1893 an, als, wie eben angegeben, der höchstzulässige Anschlusswert bald erreicht war und noch eine große Anzahl von Anträgen auf Anschluss an das Stromnetz vorlagen. Namentlich kamen diese Anträge aus dem kräftig sich entwickelten Hohenzollernviertel. Dem Magistrat und dem Bürgerausschuss war die Notwendigkeit der Erweiterung schon klar geworden, doch konnten sie lange nicht zu einem bestimmten Entschluss kommen, zumal auch über die vorzunehmende Erweiterung keine volle Klarheit zu herrschen schien. Der Schwerpunkt für die gesamte Stromabgabe lag entschieden in der Nähe der Hauptstation im Messhaus. Eine Erweiterung erschien hier aber mit Schwierigkeiten verbunden, so dass die Aufmerksamkeit zunächst auf die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Unterstation in der Volksschule am Wall gerichtet wurde. Zugunsten einer Erweiterung der Elektrizitätswerke an dieser Stelle wurde auch ins Feld geführt, dass das Brummen des Wechselstrom-Gleichstromumformers den Unterricht der Schule störte. Daher war beabsichtigt, die Unterstation aus der Schule in ein besonderes Gebäude zu verlegen. Es war aber schwer, hierfür einen geeigneten Platz zu finden. Eine Reihe von Bauplätzen in der Nähe der Unterstation wurde der Stadt zum Kaufe angeboten, doch haben sich die städtischen Körperschaften glücklicherweise nicht überstürzt. Immer und Immer wieder wurde die Beschlussfassung vertagt; hoffte man doch auch durch vorsichtiges Vorgehen und durch nicht zu schnelles Handeln günstigere Bedingungen für den Ankauf eines geeigneten Grundstückes zu erlangen.
Im Dezember 1894 war die Belastung des Elektrizitätswerkes bereits aufs äußerste angespannt, so dass der Direktor des Elektrizitätswerkes Herr Döpke sich veranlasst sah, die Frage der Erweiterung als äußerst dringlich hinzustellen. Die Dringlichkeit der Erweiterung wurde nunmehr auch vom Bürgerausschuss anerkannt und wurden zur Begutachtung und zum Vergleich des vom damaligen Direktor der Elektrizitätswerke vorgelegten Entwurfes weitere Gutachten eingezogen. Bald war die Aufstellung einer neuen Dampfdynamo von 320 P. S. beschlossene Sache, doch war man noch nicht im Klaren darüber, wo die Maschine aufgestellt werden sollte. Noch einmal erhielt der weitere Ausbau der Elektrizitätsversorgungsanlage eine Verzögerung und es kam dem Elektrizitätswerke zugute, dass das Königliche Theater, das bis dahin den elektrischen Strom von der Stadt erhielt, den Anschluss aufgab und eine eigene Stromversorgungsanlage baute. Eine große Anzahl von vorliegenden Wünschen konnte zunächst befriedigt werden, bis der Verlust des Theaters vollkommen gedeckt war. Weitere Anmeldungen mussten zurückgewiesen werden oder wenn dieselben infolge günstiger Lage oder eines voraussichtlich hohen Stromverbrauchs für das Werk sehr wertvoll erschienen, unter der Bedingung angenommen werden, dass die Arbeitnehmer in den Tagen des höchsten Stromverbrauchs auf Stromentnahme verzichteten oder sich Einschränkungen gefallen ließen. Am 1. Dez 1895 betrug der gesamte Anschlusswert einschließlich der Theateranlage von 25,4 Kilowatt, 394,3 Kilowatt. Am 15. Oktober 1896 war dieser Wert ohne Theater auf 405,70 K.W. gestiegen. Die Leistungsfähigkeit der Gesamtanlage war hierdurch, wie leicht zu erkennen, bis aufs äußerste angespannt. 15 K.W. Anschlusswert mussten abgelehnt werden und ebenso viel konnte nur bedingungsweise – wie oben erwähnt – angeschlossen werden. Als weitere Erschwernis des Betriebes der Elektrizitätswerke kam hinzu, dass von der vorhandenen Wasserkraft immer mehr für die Wasserversorgungsanlage in Anspruch genommen werden musste, und dass die Akkumulatoren Batterie allmählich anfing, schlechter zu werden. Es ist nicht zu verwundern, dass in dieser schweren Entwicklungszeit, die das Elektrizitätswerk durchzumachen hatte, manche kritische Stimme aus Fachkreisen sich erhob, die gegen die bestehende Anlage zu Felde zog. Es wurde auch der Nachweis geliefert, dass es vorteilhafter gewesen wäre, das Elektrizitätswerk von vornherein mitten in der Stadt auf einem freien Grundstück zu errichten. Es wäre leichter gewesen, eine Erweiterungsmöglichkeit bis zu einer Leistung von über 1000 P.S. vorzusehen und der Erweiterungsbau würde dann nicht auf so große Schwierigkeiten gestoßen sein. Vor allen Dingen würde er für erheblich geringere Kosten herzustellen gewesen sein. Diese und ähnliche Vorwürfe erhoben sich gegen die „male informatam patriam“.